Dienstag, 19. Oktober 2010

Länger, länger ist's jetzt her

Schaut bloß nicht aufs Datum dieses und des letzten Eintrags, vergleicht bloß nicht die Zeitspanne, die zwischen diesen beiden Dingen liegt. Wenn für euch die Zeit genauso schnell vergeht, wie für mich, dann fällt es wohl auch niemandem auf, dass besagter Unterschied nun wieder mehr als zweieinhalb Wochen beträgt.
Dieses leicht angeschlagene Gewissen, dass ich immer davontrage wenn eine weitere Woche vorrübergegangen ist und ich immer noch keinen weiteren Post angefangen habe, ist kein sonderlich schönes Gefühl...
Und trotzdem trage ich es anderthalb Wochen danach noch mit mir herum, obwohl es doch eigentlich keine Sache von sonderlich großer Schwierigkeit  wäre, diese Situation aufzulösen, aber wenn man mich auch nur annäherungsweise kennen gelernt hat, ist wahrscheinlich bekannt: Meine Motivation und ich haben uns gestritten, seitdem leben wir getrennt.
Mir fehlt wohl das Talent mich selbst zu motivieren und nur der Gedanke an meinen armen, nun frierenden Daheimgebliebenen bringt mich dazu mich bisweilen vor meinen Laptop zu setzten und das Verfassen eines neuen Eintrags zu beginnen.Und wenn ich einmal vernünftig angefangen habe, stelle ich fest, das mir das Schreiben eigentlich Spaß macht und ich doch gerne erzähle, was mir in diesem immer noch unendlich fremd erscheinendem Land alles geschieht (wobei mir auch Deutschland in einigen Dingen nicht sonderlich heimisch vorkommt, wie ich immer wieder entdecke).
Meine Abneigung gilt anscheinend jeglichen Anfängen.
Wenn ich darüber einmal hinweg bin, komme ich mit dem Restlichen meistens gut zurecht.
Ich jage dem Anfang hinterher wie die Hunde dem Keks...
Was für eine Erkenntnis.
 Aber am Besten wäre es, wenn ich, meine Schlüsse aus dem Vorhergegangenen ziehend, anfange zu berichten, was die letzte Zeit erlebt habe, auch wenn es mir wieder merklich schwer fällt, einen Anfangspunkt zu finden.
Vielleicht würde sich ein chronologischer Aufbau empfehlen...
Also gehe ich nun geistig zurück zum 2. Oktober. Einem Samstag, wenn meine Erinnerung mich nicht trügt und ich erinnere mich daran, dass meine Gasteltern auf eine Feier eingeladen worden waren, auf die wir als ihre Kinder (oder als ihre Kinder und ihr Gastkind) nicht erwünscht waren, weshalb wir zu meiner Großmutter nach Rio Ceballos geschickt wurden, der Ort, der mittlerweile einen Platz in euren Gedächtnissen einnehmen könnte, denn er ist bereits mehrfach in meinen Berichten aufgetaucht:
Der erste Ort, an dem ich auf argentinischem Boden übernachtet habe, die Besuche meiner Großmutter, das im letzten Eintrag erwähnte "Campamento"...
Das alles fand in diesem kleinen Ort vor Córdoba statt und ich werde mich vermutlich noch einige Male in diese Richtung begeben.
Zwecks der Übernachtung sammelte ich also zur Mittagszeit (oder auch nach dem Aufstehen, was bei mir am Wochenende ein- und demselben entspricht) meine Sachen zusammen, um sie in meinen Rucksack zu packen und suchte auch alle Kabel meines Notebooks zusammen, denn ich hatte für Montag noch an schulischer Arbeit zu erledigen. Genauer gesagt, sollte ich ein Referat über die Geschichte meiner deutschen Heimatstadt halten. Da freut man sich als lernfauler Schüler natürlich sehr, wenn diese ihren Anfang in einer Befestigung der Römer gefunden hat und man mehr als zweitausend Jahre Geschichte zusammenfassen darf....
Dennoch habe ich mich bei meiner Großmutter angekommen "liebend gerne" an die Vorbereitung gegeben, meinen argentinischen Mitschülern einen Eindruck meiner Heimat zu vermitteln.
Kopfhörer ausgepackt, Musik angeschaltet und von der Außenwelt abgeschnitten um so dem gelegentlich an den Nerven sägenden Gesang meiner kleinen Gastschwester zu entgehen.
Meine ältere Schwester hatte sich dagegen entschieden mit uns zu kommen. Verständlich, dass man mit zwölf und sechzehn Jahren Abends noch nicht alleine zu Hause bleiben darf...
Wir haben gemeinsam gegessen, ich habe meine Arbeit erledigt, habe meine Schwester Korrektur lesen lassen wobei mir beim zweiten Lesen wieder einige Flüchtigkeitsfehler ins Auge gefallen sind.
Danach hatte ich mir fest vorgenommen das ganze Auswendig zu lernen, damit ich nicht Worte suchend vor meiner Klasse stehen muss, doch dieser Versuch konnte meine Aufmerksamkeit nicht an sich binden und somit bin ich zum Lesen des ebenfalls mitgebrachten Buches übergegangen.
So langsam gehen meine Vorräte zu Ende. Es fehlen nur noch zwei deutsche Exemplare und ich müsste anfangen, Bücher nochmals zu lesen, obwohl das eine Sache ist, die mir außerordentlich missfällt.
Gut. Irgendwann war ich dann müde, bin nach den ersten fünfzig Blättern des 1400 Seiten starken Werkes eingeschlafen und bin gegen Sonntagmittag wieder aufgewacht.
Es wurde gegessen und meine Mutter kam. Gemeinsam haben wir noch ein wenig geredet und sind dann mir meiner Großmutter ins nahe gelegene Haus meiner Tante gefahren und ich konnte mich versichern, das es den dortigen Katzenbabys immer noch gut geht. Niedlich sind sie immer noch aber schon bedeutend größer geworden. Dennoch bleiben sie noch bei Muttermilch.
Da ich um vier mit einem der Deutschen zwecks Erarbeitung einer weiteren Präsentation, diesmal über das Deutsche Schulsystem, verabredet war, sind wir rechtzeitig losgefahren und wären auch fast pünktlich angekommen, wenn nicht meiner Gastschwester aufgefallen wäre, dass sie überlebenswichtige Utensilien im Haus der Oma hat liegen lassen:
Bei einer deutschen Freundin im Garten
Ihr Handy und das Ladegerät desselben.
Und weil sie keine zwei Tage ohne diesen kleinen rosa Begleiter leben kann, der regelmäßig die "musikalischen" Verirrungen der Jonas Brothers und die neuesten Lieder einer hier sehr bekannten Soap, die sich Casi Ángeles nennt, ausspuckt, mussten wir natürlich auf halber Strecke umdrehen, wobei wir letztendlich
etwa eine halbe Stunde nach dem verabredeten Zeitpunkt an unserem Haus eintrafen.
Die Präsentation am Montag lief gut. Ansonsten ist nicht viel Interessantes in dieser Schulwoche geschehen.
Freitag Abend bin ich dann zu einer guten Freundin, Julia, ebenfalls Deutsche aber von einer anderen Organisation, obwohl wir hier als Partnerorganisation beide dieselbe haben, gefahren.
Wir waren zusammen auf dem 15. Geburtstag einer dritten Deutschen, wobei wir allerdings etwas verspätet eintrafen, denn obwohl ich pünktlich im Hause der Familie Julias stand, war ihre Mutter nicht anwesend und wir mussten uns gedulden, bis diese zurückkam um uns im Auto zu bringen.
Nach der Feier bin ich dann mit Julia nach Hause gefahren worden und habe wie geplant bei ihr übernachtet und den nächsten Tag auch noch bei ihr zugebracht, denn sie feierte den folgenden Sonntag, also den nächsten Tag Geburtstag und gemeinsam haben wir Kekse für die eingeladenen Gäste vorbereitet.
Als mein Vater mich abholte, sagte er mir, dass es nicht feststünde, ob ich am nächsten Tag zurückkommen könnte, denn wir hatten einen gemeinsamen Auslug in die Sierras geplant.
Die Sierras de Córdoba sind ein kleines Gebirge, das in der Provinz Córdoba liegt.
Gemeinsam sind wir also Sonntagmorgen aufgebrochen um dieses Gebirge ein wenig zu erkunden.
800 Höhenmeter galt es bei strahlendem Sonnenschein zu überwinden.
Da ich sehr gerne wandern gehe, habe ich mich sehr auf diesen Aufstieg gefreut und wir begonnen nach zwei Stunden Anfahrt und nachdem wir unsere Tickets gekauft hatten, denn der Wanderweg ist in privater Hand, die ersten Meter zu laufen.
Bereits nach fünf Minuten war meine zwölfjährige Gastschwester nicht mehr bereit ihren Rucksack zu tragen und während wir sechsjährige an uns vorbei laufen sahen, wurde sie immer langsamer.
Meine Mutter und ich gingen voraus und hielten gelegentlich inne, um auf meinen Gastvater und meine Gastschwester zu warten, die in beträchtlichem Abstand hinter uns her gingen.
Nachdem wir nach etwa zweeinhalb Stunden, Pausen mitgerechnet, am Gipfelkreuz angekommen waren, streikte meine Gastschwester entgültig mit der Begründung sie habe Kopfschmerzen.
Mein Vater hatte vorgesorgt und gleich eine Kopfschmerztablette parat. Generell scheint man hier mit Medikamenten großzügiger umzugehen als in Deutschland. man wirft sich die bunten Pillen munter in den Rachen.
Nach fast einer Stunde der Rast auf dem Gipfel drehtem wir um, um den Abstieg zu beginnen.
Doch nach circa zweihundert Metern Fußweg beklagte sich meine Schwester, setzte sich an die Seite des Weges und weigerte sich weiterzugehen. Meine Gastmutter blieb also zurück um mit ihr zu reden und ich setzte mit meinem Vater den Weg langsam fort.
Doch niemand kam nach.
So gingen wir zurück, nachdem uns von anderen Wandernden berichtet wurde, dass das Mädchen dort oben sich leider gar nicht wohl fühle.
Gut, dachte ich mir, wenn meine Schwester jetzt einen Aufstand macht, kann ich heute Abend nicht mehr pünktlich auf der Geburtstagfeier meiner Freundin ankommen.
In der Zwischenzeit hatte meine Gastmutter die uns für den Notfall übergebene Handynummer gewählt, denn es war nichts zu machen:
Meine Gastschwester trank nichts mehr, aß nichts mehr und weigerte sich erst recht, einen Fuß vor den anderen zu setzten.
In Tränen aufgelöst lag sie also am Wegesrand und beklagte sich darüber, dass sie sich nicht wohl fühle.
Nach zehn Minuten der Wartezeit kam also ein Helfer an, stellte fest, meine Schwester hätte zu wenig wasser getrunken und sagte, es mangele ihr wahrscheinlich noch an Salz.
Deshalb rührte er ein rosafarbenes Getränk an, das dem anscheinend entgegenwirken sollte, denn dieser Mann war sozusagen Mitglied der privaten Bergwacht.
Nur hatte er nicht mit meiner Gastschwester gerechnet:
Sie wollte nicht trinken und brach in einen Heulkrampf aus, an dessen Ende sie sich erbrach.
Dennoch wurden ihr langsam einige Tropfen der Flüssigkeit zugeführt, worauf sich das ganze erneut abspielte.
Es wurde der Artzt der Bergwacht hinzugerufen. Auch er stellte fest, dass es meiner Schwester an Wasser fehlt: Trink!
Doch nein. Sie weigerte sich. Sie wolle nichts trinken und habe auch keinen Durst, lautete ihre Antwort.
Dennoch war sie nun bereit auf zureden des einen Mannes einige Schritte zu gehen. Sie stand auf...
Bewegte ein Bein  vorwärts...
Dann das Andere...
Man hielt die Luft an...
...und atmete aus, als sie sich auf den begrasten Rand des Gehwegs fallen ließ.
Ich will euch jetzt nicht mit langweiligen Einzelheiten weilen, denn auch ich bin langsam müde und merke es vor allem meiner Rechtschreibung an:
Ich bin aus der Übung gekommen und die Müdigkeit tut das ihre dazu.
Fortwärts, Nazional, Atmetete...
Was doch alles für ein Unsinn enstehen kann!
Letztendlich sind wir also hinuntergekommen.
So ziehmlich als letzte haben wir den Weg verlassen, denke ich, denn die Sanitäter haben uns begleitet, schließlich musste meine Schwester irgendwie herunterkommen und da sie sich weigerte zu laufen, wurde sie von den jungen, relativ kräftigen Männern Huckepack heruntergetragen.
Am letzten Abschnitt ging es ihr dann wie durch ein Wunder wieder besser und ich fragte mich, ob das nun an dem sich näherndem Gedanken an das Sitzen im Auto oder daran, dass ich nun nicht mehr pünktlich zur Feier erscheinen konnte war.
Aber nein, ich will meiner Schwester nichts böswilliges unterstellen, nur ist es für mich, die ich mit zwei älteren Brüdern aufgewachsen bin, etwas gewöhnungsbedürftig eine kleine Schwester zu haben, die all das toll findet, was man selber auch in diesem Alter nicht mochte:
Rosa, Soaps, Disney "Rock", Modeln...
Und meine Interessen beschreibt sie als durchweg langweilig...
Dennoch verstehen wir uns gut und auch wenn sie mir gelegentlich auf die Nerven fällt, scheint das umgekehrt eher weniger der Fall zu sein, denn ständig liegt ein: "Te quiero, Anja", auf ihren Lippen.
Und nachdem wir dann unten angekommen waren, der Arzt sich von ihrem sich verbesserndem Zustand nocheinmal überzeugt hatte und sie zum ersten Mal wieder fast einen halben Liter Wasser und feste Nahrung zu sich genommen hatte, konnte sie auch wieder lächeln.
Ich allerdings nicht denn mir war klar, dass wir wegen dieser Verspätung nicht vor 23:30 unser haus betreten würden.
Julias Geburtstag
Diese Angst bewahrheitete sich dann auch.
Dennoch habe ich mir ein Taxi rufen lassen und bin zu meiner Freundin gefahren, nachdem ich mich umgezogen hatte.
Da die Feier um zehn Uhr angefangen hatte, kam ich zwar etwas erschöpft und mit zweieinhalb Stunden Verspätung am Haus meiner Freundin an, aber immerhin lebte ich noch und hatte den Berg ohne Heulkrämpfe und ohne mich zu übergeben überstanden.
Letztendlich wurde es noch eine vergnügliche Nacht und ich schlief wieder bei Julia.
Gemeinsam haben wir auch den sich anschließenden, schulfreien Montag verbracht.
Die sonstige Woche hielt wenige Überraschungen bereit.
Mittwoch allerdings war ich beim Arzt, ich bin wieder erkältet und war in den letzten drei Tagen das erste Mal seit Jahren zumindest ab und zu ein wenig heiser.
Und trotz der Erkältung habe ich auch das letzte Wochenende schön verbracht.
Weil meine Eltern wieder auf einem Fest waren, haben wir auswärts geschlafen, dieses Mal allerdings bei der anderen Oma.
Samstag angekommen, viel gelesen, gut gegessen, wegen des Hustens nicht ganz so gut geschlafen.
Sonntag zum Muttertag, der hier an diesem Tag stattfand eine Familienfeier mit großem Asado erlebt und zum ersten Mal den Kopf eines Schweins aus einem Asado-Ofen kommen gesehen (ich habe mich danach eher an Hühnchen gehalten, dass ziehe ich dem ganzen vor)...
Übrigens: Herzlichen Glückwunsch zum Muttertag. Ich hab dich lieb und denk daran dass, wenn der Muttertag in Deutschland stattfindet, ich schon fast wieder zurück bin.
Jedenfalls war ich heute nochmal beim Arzt und damit ich für die anstehende Reise nach Puerto Madryn gerüstet bin, habe ich jetzt Hustensaft, Hustenspray, Antibiotika und Inhalationen verschrieben bekommen.
Ich hoffe, dass das ganze schnell wirkt, denn bereits Mittwoch werde ich meine Familie für einige Tage verlassen um Wale und Pinguine zu betrachten.
ich freue mich schon jetzt sehr darauf.
Hoffentlich bleibt die Vorfreude nicht die schönste Freude,
Bis bald,
Anja

PS: Das folgende Bild ist für eine gaaaaaanz besondere Freundin:

8 Kommentare:

  1. Fertig.
    Ich gehe jetzt schlafen.
    Viel zu spät ist es geworden...
    Ich habe mich hier an mehr Schlaf gewöhnt.
    In Deutschland war diese zeit für mich normal zum schlafen gehen.
    Bis bald und süße Träume,
    Anja

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  2. Hallo Maus, na dann hoffe ich, dass du gut geschlafen hast, habe mich heute morgen über deinen Blog gefreut. Hoffe, dass du die Erkältung gut überstehst und in Puerto Madryn viel Spaß hast. Wir vermissen dich und haben dich gaaanz doll lieeb..

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  3. naja jetzt siehste mal wie das ist ne kleine schwester zuhaben ;)

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  4. ...der das da oben geschrieben hat, ist selbst ein kleiner Bruder..hihihi..die sind viiiieeel schlimmer als kleine Schwestern..aber lieb sind se doch..

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  5. hallo Anja!
    Ein kleiner Ratschlag:
    In den heißen Brei rein und nicht immer drumherum!
    Nur ein Scherz, schöner Eintrag.
    Deine kliene Schwester Erinnert mich in manchen Dingen stark an meinen kleinen Bruder!
    liebe Grüße aus Deutschland, Eva

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  6. Hi Anja, kleine (große) Brüder beklagen sich auch mal über große Schwestern. Aber trotzdem kann der eine nicht ohne den anderen.So soll es auch sein. Du hast wieder einmal super geschrieben - trotz Müdigkeit - Viel Spass bei deinem Ausflug. Liebe Grüße deine Ersatzmama Bi

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  7. Hallo Maus, wieder aus Puerto Madryn zurück, sind wir alle gespannt auf den neuen Block, in dem du sicher von deiner Reise erzählst und Fotos zeigst. Wir freuen uns auf die Pinguine und Wale...

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  8. Also: Hochgeladen sind die Fotos jetzt zumindest schoneinmal auf Facebook. D.h., wer mich dort als Freundin hinzugefügt hat, kann die Bilder schon im voraus sehen. Der rest muss sich wohl gedulden...

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