Montag, 27. Dezember 2010

Vanillekipferl im Pool - Ein frohes Fest

Dienstag 14.12.10, 13:32 Córdoba Argentinien, am Pool:

Ich liege mit meiner ebenfalls schwitzenden Freundin auf einer pinken Luftmatratze im Pool eines Hauses der 1,3 Millionen-Einwohner-Stadt Córdoba in Argentinien und halte in der einen Hand eine Schale mit weihnachtlich riechenden Keksen, in der anderen ein Glas eiskaltes Wasser. Die Kondenswassertropfen fließen langsam am Glas hinab über meine Finger in den Pool.
Es ist zu beobachten, dass uns beiden die starke Hitze zu schaffen macht. Wir sind solche Temperaturen in diesem Teil des Jahres nicht gewohnt. Wir tauschen unsere Meinungen über den Geschmack der frisch aus dem Ofen geholten, provisorisch mit gemahlenen Erdnüssen zubereiteten Vanillekipferl, die wir nebenbei genüsslich verzehren, denn obwohl es in Argentinien eine unvergleichliche Auswahl an Keksen gibt, sind Vanillekipferl und Zimtsterne hier leider nicht zu finden. Von meiner Seite wird beklagt, dass ich mich obgleich der voranschreitenden Adventszeit, nicht wirklich in weihnachtliche Stimmung versetzt fühle. Mir fehlen Adventskalender, Adventsschmuck, Adventskranz, Weihnachtsmarkt, Schneemann, Schneeballschlachten, Nikolaus und eben besagte Weihnachtsplätzchen mit Mandeln und Haselnüssen, die in Argentinien leider nur zu unerschwinglichen Preisen von umgerechnet drei Euro und mehr pro 100g erhältlich sind.
Die etwas nüchternere Antwort meiner Freundin ist, dass ich diese Dinge nächstes Jahr ohnehin wiederhaben werde und dieses eine Jahr meines Lebens eben darauf verzichten müsse. Dafür bekämen wir ja die hiesigen Weihnachtsbräuche nähergebracht. Mir geht durch den Kopf, dass ich wohl ein etwas sehnsüchtigerer Mensch bin, als es meine Freundin ist und dass ich fast immer das haben will, was ich nicht habe. Wie bei einem kleinen Kind, dem man Bauklötze wegnimmt, mit denen es gar nicht spielt. Ist das jetzt nur ein Fehler meinerseits oder liegt das in der menschlichen Natur? Ich kann es nicht genau sagen, aber mir scheint es, dass dieser Fehler bei mir ausgeprägter zu Tage tritt als bei einigen anderen. Bin ich hier, will ich zurück, bin ich dort, will ich hierhin…
Es ist war, von weihnachtlicher Stimmung kann man in diesem Land an der anderen Seite des Erdballs nicht wirklich sprechen und nur die 50cm hohe künstliche Tanne, die einem mit all ihrem Glitzer und Lametta ins Auge sticht, sobald man die Tür öffnet und unsere Küche betritt, erinnert einen daran, dass man sich trotz der etwas wärmeren 35 Grad Celsius und Sommerferien bereits im Dezember befindet und somit die vorweihnachtliche Zeit schon angefangen hat.
Fast drei Monate Sommerferien von Mitte Dezember bis Anfang März . Das nenn ich mal eine vernünftige Auswirkung der globalen Klimaerwärmung. :D
Viel Zeit bringen Sommerferien mit sich und nach den letzten Anstrengungen des vergangenen Schuljahres genieße ich diese auch. Viele Vorträge, viele Arbeiten und wenig Zeit für Ruhe und Spaß habe ich hinter mich gebracht um drei Monate Ruhe zu finden,, mich mit Freunden zu treffen und auf neue Entdeckungstouren des sehr und in vielen Gegenden  hübschen Zentrums Córdobas zu gehen.
Ich weiß nicht, ob euch bewusst ist, dass ich nach en Ferien, die, wie ich es aus Erfahrung bereits weiß, nur noch zwei Monate bis zu meiner Rückkehr bleiben! Darauf freue ich mich auch schon, denn obwohl es mir hier sehr gut geht, vermisse ich meine Freunde und Familie und merke, wie wichtig diese eigentlich für mich sind.
Aber jetzt ist erst einmal Halbzeit. Mehr als fünf Monate sind schon um und nahezu die gleiche Zeit liegt noch vor mir. Die vergangenen fünf Monate vergingen manchmal wie im Flug und manchmal schien die Zeit in Sekunden vorüberzugehen, die sich wie Stunden anfühlten. Mit gemischten Gefühlen blicke ich zurück: Viele schöne Dinge liegen schon hinter mir, viele neue Gesichter habe ich kennen, und einige auch schätzen gelernt, andere sind einfach nur vorübergezogen. Glücklich und Stolz bin ich, dass ich schon so viel Zeit hier verbracht habe und viele Herausforderungen gemeistert habe. Glücklich und erwartend blickt ein Teil von mir auf die kommenden fünf Monate, andererseits fühle ich manchmal auch ein wenig Traurigkeit, einerseits bin ich von meinen lieben Daheimgebliebenen schon lange entfernt und noch einmal so lange wird es dauern, bis sie mich am Flughafen willkommen heißen können. Andererseits bin ich traurig, weil ich viele Menschen hier wirklich lieb gewonnen habe und auch diese vermissen werde, wenn ich zurückkehre.
Als ich ankam, war der Abflug etwas weit entferntes, fast unerreichbares und zwischen mir und ihm standen unzählige Dinge. Jetzt steht sogar schon das Datum dieses Tages fest. Am 24. Mai werde ich nach vielen Tagen in Argentinien wieder ins Flugzeug steigen und voraussichtlich am 25. Mai 2011 wieder deutschen Boden betreten. Richtig vorstellen kann ich mir das noch nicht. Dennoch rückt dieser Tag näher.

Die Monate vergehen besonders im letzten Schulstress und in den Ferien schnell und da wundert es hoffentlich niemanden, dass ich in letzter Zeit zwar immer wieder daran gedacht habe, einen neuen Blogeintrag zu starten, aber unglücklicherweise nicht dazu gekommen bin. Trotzdem konnte ich mich nie dazu aufrappeln, wer sitzt schon bei 30 Grad und strahlender Sonne gerne vor dem Computer und schreibt seitenlange Berichte über das, was für einen selbstverständlich geworden ist. Daher bin ich zu dem Entschluss gekommen, mich nicht immer erst zu entschuldigen, wenn ich ein neues Dokument starte, um meinen Blog fortzuführen. Nein, ich will euch berichten, was ich im letzten Monat erlebt und ganz besonders, wie ich Weihnachten verbracht habe:

Eine kurze Auflistung der Highlights (Chronologie nicht garantiert, so gut ist mein Gedächtnis nicht…)
1. Besuch einer Ballettaufführung im Teatro del Libertador San Martin. Eine meiner argentinischen Freundinnen tanzte und ich habe einen schönen Abend mit meinen Freunden verbringen können. Danach waren wir gemeinsam bei MC Donalds essen.

2. Letzte zu beendenden Vorträge gehalten. Die Themen war Deutschland generell (Ich habe zwei Doppelstunden gebraucht um dieses doch sehr komplexe Thema auch nur in Grundzügen darzustellen und bin an meine sprachlichen Grenzen gestoßen, als ich erklären musste, was der „Kalte Krieg“ ist oder war. Mir ist keine Übersetzung für psychologischer Aufrüstungskrieg eingefallen…) und Das deutsche Schulsystem (für Mathematik?! Mein Mathelhrer hat mich alle drei Minuten unterbrochen und Behauptungen in den Raum gestellt um das Deutsche Schulsystem nieder zu hetzen. Das wollte ich ihm aber nicht erlauben und habe quasi jede Behauptung wiederlegt und verneint. Wir sind unterschiedlicher Meinung. So hatte dann der Vortrag fast die gleiche Ausdehnung wie der über Deutschland generell)

3. Letzter Schultag in Argentinien. Dieser bestand eigentlich nur aus einem Akt am Ende des Schuljahres, in dem jenes in Erinnerung gerufen, mit viel Patriotismus, den nahezu alle Argentinier inne haben, die Nationalhymne gesungen wird und einige Schüler mit Urkunden in den Kategorien „ohne Fehltage“, „besonderes Engagement im Fach Religion“, „ besondere Anstrengung“ und „beste/r Klassenkamerad/in“ ausgezeichnet werden. Meine kleine Gastschwester hat eine Urkunde in zweiter Kategorie bekommen. Es stand in großen Buchstaben drauf: Für das Leben der christlichen Werte und besonderes Engagement… Ich erinnere mich, dass sie an diesem Abend ihre Kekse nicht mit mir teilen wollte. O Wie hart ist doch dieses Leben!

4.  Firmung meiner kleinen Gastschwester. Obwohl sie erst zwölf ist, ist sie hier diesen Monat zur Firmung gegangen. Man kann sich den Zeitpunkt aussuchen und mit den zwei Jahren Vorbereitung auch direkt nach seiner Erstkommunion anfangen.  Beim Rumfragen ist mir dann aufgefallen, dass trotz katholischen Glaubens sehr viele Argentinier ungefirmt geblieben sind. Das Fest war schön und ich habe einen netten Abend mit vielen leckeren Sachen und viiiiiieeeel Fleisch verbracht. Argentinien eben. 

5.  Zweimal Kekse backen mit Deutschen. Das erste Mal Vanillekipferl mit gemahlenen Erdnüssen und das zweite Mal Kokosmakronen, Schneeflöckchen (passend zur Jahreszeit: Hochsommer. Irgendwie muss man sich ja abkühlen) und unglücklicherweise einfarbiges Schwarz-Weiß-Gebäck. Ich hatte den Backkakao zu Hause liegen lassen.

6. Großes Jahresende-Fest mit meiner Gastfamilie. Jedes Jahr aufs Neue feiert eine reiche, alte Frau ein großes Fest, zu dem sie viele verschiedene Familien einlädt, unter anderem auch meine Gastfamilie. Es gab zu essen und es wurde viel getanzt. Ich habe mich mit einigen anderen Jugendlichen, die auch nicht tanzen wollten in einen anderen Bereich des Hotels, in dem die Feier stattfand zurückgezogen. Mein Gastvater hat viel getrunken und getanzt und wurde am Ende zum König des Festes erklärt. Ihm und meiner Gastmutter wurde ein großer Blumenstrauß überreicht und wir sind um 6:30 morgens mit dem Auto vor unserer Haustür vorgefahren. Am nächsten Tag habe ich bis drei Uhr geschlafen.

7. Weihnachtseinkäufe mit Julia, meiner deutschen Freundin. Wir sind einen Samstagmorgen ins Zentrum gefahren und haben Weihnachtseinkäufe für unsere Gastfamilien getätigt. Meinen Gastschwestern habe ich Haarschmuck und Ketten geschenkt, meiner Gastmutter ein Buch, in dass ich deutsche Rezepte auf Spanisch übersetzt habe und meinem Gastvater zwei große Tafeln seiner Lieblingssüßigkeit, die sich Mantecol nennt und aus einer Erdnusspaste hergestellt wird. Ich mag es auch.

8. Weihnachten bei meiner Gastoma mit meiner Familie. Erst einmal „FROHE WEIHNACHTEN“ an alle, denen ich dieses noch nicht gewünscht habe. Fühlt euch umarmt, soweit ihr meine Freunde und Familie seit J In Argentinien wird der 25. Dezember, als an unserem deutschen ersten Weihnachtsfeiertag gefeiert. Am 24. Dezember Abend um 21:00 sind wir also aufgebrochen zur Oma um dort mit versammelter Familie das Weihnachtsfest zu begehen. In die Messe gegangen sind wir nicht und es scheint so, als seien die Weihnachtsmessen auch nicht sonderlich gut besucht und das obwohl mehr als 90% der Argentinier katholisch sind. Trotzdem (oder vielleicht auch gerade deshalb) habe ich Weihnachten schön verbracht. Als wir ankamen setzten wir uns draußen hin, Tische und Licht waren schon bereitgestellt und warteten auf 0:00 des 25. Dezembers. Weihnachten ist hier für mich wie Silvester. Um Mitternacht also wird das Feuerwerk eröffnet und wir und auch viele andere Menschen haben große Stoffballons in den Himmel geschickt. Unten wird ein Teelicht reingehängt und es steigt ein orangefarbener Ball auf in den Himmel. Danach war ich noch bis 4:30 wach und habe mit meinen Cousins und meiner Gastschwester geredet und einen kleinen nächtlichen Spaziergang unternommen, bei denen wir vielen jungen Leuten begegnet sind, denn viele jener gehen nach Weihnachten in Diskos um zu feiern. Na dann ein besinnliches Fest… Geschlafen hat meine Familie und damit auch ich übrigens bei meiner Oma und als wir dann am nächsten Morgen zurückgekehrt sind hatte „Papá Noel“ die Geschenke schon vorbeigebracht. Ich habe ein Handtuch, Flip-Flops, eine Tasche und ein Buch namens „El humor de los hombres que hicieron la Patria“ bekommen. Darin findet sich eine Auswahl an humoristischen Texten von wichtigen Personen Argentiniens. Traditionell bekommen die Argentinier ihre Geschenke aber eigentlich um Mitternacht am25. Dezember.

9.  Mein iPod hat sich verabschiedet und ich musste zu einem MacStore hier in der Nähe, der diesen jetzt eingeschickt hat, weil sie auch keine Lösung gefunden haben. 15-20 tage Warten auf die Rückkehr meines heißgeliebten Elektrogeräts…

10.  Erstes Asado bei mir zu Hause veranstaltet. Es war das beste Asado, das ich je gegessen habe. Das Fleisch war super und ich habe einiges neues probiert. Am besten hat mir Fleisch gefallen, dass mein Gastvater mir zum probieren gegeben hat und das irgendein Teil des inneren Halses der Kuh zu seien scheint, welches genau habe ich leider nicht herausgefunden. Das einzige, was ich weiß ist, dass es relativ weich, ohne störendes Fett an der Seite ist und die Kuh zwei davon hat. Ob ich wirklich wissen will, was es ist, weiß ich nicht…


11.  Ich habe eine neue Webcam und eine neue Digitalkamera. Irgendwie gehen in meinem Umfeld immer alle Elektrogeräte kaputt ohne dass ich auch nur meinen kleinen Finger bewege. Jedenfalls hat meine Mutter in Deutschland eine in Berlin lebende Frau kennen gelernt, deren Tochter auch ihr Auslandsjahr in Córdoba verbringt. Diese Mutter kam/kommt zwischen Weihnachten und Neujahr ihre Tochter besuchen und hat mir netterweise diese Dinge mitgebracht. Ich habe mich sehr gefreut und Falls dieses von den Beiden gelesen wir: „Herzlichen Dank“ J

Ansonsten habe ich mich viel mit Freunden getroffen, war viel in verschiedenen Schwimmbecken, es ist immer wärmer geworden. Manchmal bis zu 38 Grad. Wenn ich meine täglichen deutschen Nachrichten lese, staune ich immer wieder, dass bei euch jetzt schon Winter ist und ihr frierend drinnen sitzt oder Schnee schippt. Seltsames Gefühl im Hochsommer.

Nächsten Monat steht meine Reise zu den Wasserfällen von Iguazú an. Das sind hinter den Niagara-Fällen die zweitgrößten der Welt. Spätestens dann kommt mein nächster Post online. Vielleicht finde ich aber auch noch nach Silvester Zeit euch zu schreiben, dann kann ich einen separaten Post online stellen, der euch dieses wunderbare Naturphänomen nahebringt und euch nach Pinguinen, Walen und der Tatsache, dass ich leicht schwitzend im Hochsommer sitze, noch ein wenig neidischer macht, als ihr es ohnehin schon seit.
Trotzdem hoffe ich sehr, dass ihr mich pünktlich am 25. Mai 2011 wieder in Deutschland am Düsseldorfer Flughafen empfangt und wenn ich morgens ankomme, hoffe ich, dass all meinen Freundinnen freigegeben wird oder sie zufällig krank sind nur um mich wieder in ihre Arme zu schließen.
Liebe Grüße aus Argentinien,
Anja